BDB-Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 15. Oktober 2012 zur Novellierung des Energieeinsparungsgesetz und der Energieeinsparverordnung


1. Niedrigstenergiehaus (§ 2a EnEG)
§ 2 a EnEG beschreibt das Niedrigstenergiegebäude als ein Gebäude, das eine sehr gute Gesamtenergieeffizienz aufweist. Eine nähere Konkretisierung erfolgt nicht.
Dies ist zu begrüßen, da die entspreche Umsetzung der EU-RL erst für 2019
(Behördengebäude) bzw. 2020 ansteht. Eine exakte Definition des Niedrigst-energiegebäudes sollte möglichst spät unter Berücksichtigung der dann vorliegenden Randbedingungen für die Wirtschaftlichkeit erfolgen.


2. „EnEV easy“ – vereinfachtes Nachweisverfahren für Wohngebäude
(§ 3, Satz 5 und Anlage 1 EnEV)
Unter Berücksichtigung bestimmter Randbedingungen (Wohnfläche, TGA-Ausstattungsvariante etc.) lassen sich die Einhaltungen der EnEV und das hierfür er-forderliche Dämmniveau unmittelbar aus Tabellen ablesen. Dies hat den Vorteil eines schnellen gut anzuwendenden Verfahrens für Wohngebäude mit üblichen Anforde-rungen. Es ist jedoch nicht für Nichtwohngebäude anwendbar und kein Nachweis für kfw-Effizienzhäuser ist möglich. In der Praxis wird dieses Nachweisverfahren jedoch oft gewünscht.


3. Änderung des Referenzklimas (§ 5 u.a.)
Aus Würzburg wird Potsdam. Damit sind keine Vorteile verbunden, im Gegenteil
entsteht eine leichte Benachteiligung gekühlter Gebäude, da das „neue Klima“ etwas wärmer ist.


4. Anhebung der Effizienzstandards für Neubauten
Die Standards sollen in zwei Stufen 2014 und 2016 um jeweils 12,5 % bezüglich
Primärenergiebedarf bzw. 10 % in der Wärmedämmung der Gebäudehülle angehoben werden.
Die Grenzen der Wirtschaftlichkeit im Gebäudebereich sind bereits mit der EnEV 2009 erreicht. Die Energiewende muss für Eigentümer, Bauherren und Nutzer be-zahlbar bleiben. Schon jetzt ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle an der Grenze des wirtschaftlich vertretbaren. Der Wert zul. HT' in Anlage 1 Tabelle 2 wird auf 90%, für die im Mietwohnungsbau relevanten größeren zweiseitig angebauten Wohnge-bäude sogar für 2014 um 70% und für 2016 um 58% des zul. Werts nach EnEV 2009 reduziert. Technisch und wirtschaftlich sind die Anforderungen z.T. nicht mehr umzu-setzen. Es wird daher gefordert, es bei den bisherigen Höchstwerten zu belassen.
Wenn eine stufenweise Anhebung der Anforderungen unabdingbar ist, kann allenfalls die Erhöhung der Anforderungen an den Primärenergiebedarf mitgetragen werden, da im Bereich der technischen Anlagen noch Optimierungspotenzial gesehen wird.
Der Bund ist nicht gehalten, zum jetzigen Zeitpunkt Verschärfungen zu regeln. Die EU-RL stellt hierzu keine Forderungen.


5. Gebäudebestand (§§ 9 ff.)
Es wird begrüßt, dass sich die Anforderungen an den Gebäudebestand nicht ändern. Vielmehr sollten für den Bestand und für quartiersbezogene Energiekonzepte Anreize durch steuerliche und finanzielle Förderung geschaffen werden.
Allerdings entfällt bei der Erweiterung von Gebäuden die untere Flächengrenze (bis-her erst ab 15 m²), was als Nachteil einen großen Aufwand bei Anbauten geringer Fläche mit sich bringt. Dies sollte vermieden werden.


6. Energieausweise (§§ 16 ff.)
Die Verbindlichkeit der Energieausweise soll durch folgende Maßnahmen gestärkt werden:
- Energetische Kennwerte in Immobilienanzeigen
- Vorlage Energieausweis bei Besichtigung
- Übergabe des Energieausweises an Käufer oder Mieter
- Aushang von Energieausweisen in behördlich genutzten Gebäuden
- Aushang von Energieausweisen in nicht behördlichen Gebäuden mit starkem Publi-kumsverkehr
Es handelt sich um die nationale Umsetzung der verbindlichen Vorgaben der europäi-schen Gebäuderichtlinie. Eventuelle Bedenken gegen die vorgenannte Pflicht sind daher an dieser Stelle nicht mehr maßgeblich.
Dennoch sollte einmal kritisch geprüft werden, ob hier nicht ein vermeidbares „Abmahnwesen“ entstehen könnte.


7. Pflichtangaben in Immobilienanzeigen (§ 16a)
Zitat: „Wird (…) eine Immobilienanzeige (…) aufgegeben (…), so hat der Verkäufer in der Anzeige (die Informationen aus dem Energieausweis, Anm. des Autors) anzuge-ben. Dies wird ausdrücklich begrüßt, da mehr Druck und Information erzeugt wird.

 

8. Registriernummern (§ 26c)
Jeder Energieausweis erhält eine individuelle Registriernummer. Dies gilt sowohl für Neubauten, als auch bei Bestandsausweisen. Die Nummer soll zunächst durch das DIBT vergeben werden, zuständig soll jedoch eine Landesstelle sein. Eventuelle Nachteile wie umständlicher Verfahrensschritt, Verzögerungen und offene Zuständig-keitsfragen sollten vermieden werden.


9. Einführung eines unabhängigen Stichprobenkontrollsystems für Energieaus-weise und Inspektionsberichte für Klimaanlagen
Auch hier handelt es sich um die Umsetzung der europäischen Vorgaben. Allerdings geht der Entwurf deutlich über die Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie hinaus.

 

9.1 Beliehene
In § 7 b EnEG wird zunächst die gesetzliche Ermächtigung für ein Kontrollsystem ge-schaffen, das in der EnEV ausgekleidet wird. In § 7 b Abs. 4 EnEG erfolgt die Er-mächtigung an die Länder, das Kontrollsystem auch im Wege der Beleihung auf Fachvereinigungen oder Sachverständige zu übertragen. Die Beliehenen unterstehen der Aufsicht der jeweilig zuständigen Behörde.
Zweck der Beleihung ist, dass natürliche und juristische Personen Verwaltungsaufga-ben selbstständig übernehmen. Namentlich zu nennen sind hier die Bezirksschorn-steinfeger, die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure und der TÜV oder anderer Prüfgesellschaften. Schon die vorgenannten Beispiele verdeutlichen, dass das Sys-tem der Beleihung mangels entsprechender Kenntnisse bei den vorgenannten Perso-nengruppen nicht zielführend sein kann.
Für NRW wären beispielsweise die staatlich anerkannten Sachverständigen für Schall- und Wärmeschutz in Rede zu bringen, die jedoch nicht dem System der Be-leihung unterliegen.
§ 7 b Abs. 4 ist daher abzulehnen, da die Gefahr besteht, dass die Länder nicht quali-fizierten Personen Kontrollaufgaben zuweisen. Unabhängig hiervon wird es den nach Landesrecht zuständigen Behörden möglich sein, z. B. staatlich anerkannte Sachver-ständige für Schall- und Wärmeschutz zur Erledigung technischer Aufgaben (im Sinne des Verwaltungshelfers) zu übertragen.

 

9.2 Kontrollsystem
Im Prinzip fordert die EU-Richtlinie lediglich, dass eine Stichprobe mindestens eines statistisch signifikanten Prozentanteils aller jährlich ausgestellten Energieausweise kontrolliert wird. Als Überprüfungsmöglichkeiten beschreibt die EU-Richtlinie
a) die Validitätsprüfung der Eingabe-Gebäudedaten,
b) die Prüfung der Eingabedaten und Überprüfung der Ergebnisse,
c) eine vollständige Prüfung bis hin zur in Augenscheinnahme des Gebäudes.

Angesichts dieser Vorgaben wird in der EnEV ein sehr komplexes System aufgebaut:
- Jeder Energieausweis muss zunächst registriert werden (vorläufig beim Deutschen Institut für Bautechnik, später bei einer Behörde oder einem Beliehenen des jeweili-gen Bundeslandes).
- Zuständig für die Registrierung ist der Ausweisersteller.
- Die Länder nehmen eine Stichprobe.
- Als signifikanter Prozentsatz werden 0,5 % der Energieausweise angesehen. Es wird lt. Begründung zum Entwurf geschätzt, dass ca. 440.000 Energieausweise im Jahr aufgestellt werden. Mithin wären 2.200 Ausweise im Jahr zu prüfen.
- Der Energieausweisersteller unterliegt einer zweijährigen Aufbewahrungspflicht der Unterlagen.
- Die vorgenannten Überprüfungsoptionen a bis c werden in der EnEV (wenn auch nicht ausdrücklich so erläutert) offensichtlich als aufeinander aufbauende Intensi-tätsabstufungen verstanden. Letztlich sollen den Ländern die Möglichkeiten eröffnet werden, Einzelheiten der Überprüfungsoptionen zu konkretisieren. An dieser Stelle wird das Problem auf die Länder verlagert. Es ist bekannt, dass die Länder daher ein weiteres Gutachten für das Stichprobenkontrollsystem in Auftrag geben wollen.

 

9.3 Kritik
Zu kritisieren ist:
- Die Komplexität des Verfahrens.
- Der Aufbau von Bürokratie für die Kontrolle von lediglich ca. 2.200 Energieausweisen. (Anmerkung: Ein Gutachten des BMVBS (Online-Publikation Nr. 10/2012) kam zu dem Ergebnis, dass für die fünf Ausweisgruppen (Wohngebäude-Verbrauch, Wohn-gebäude-Bedarf, Nichtwohngebäude-Verbrauch, Nichtwohngebäude-Bedarf verein-fachtes Verfahren, Nichtwohngebäude-Bedarf Mehrzonenverfahren) eine statistisch signifikante Größenordnung bereits dann besteht, wenn jährlich ca. 160 Ausweise je Ausweisgruppe, mithin jährlich 800 Ausweise geprüft würden.)
- Dass die Ersteller von Energieausweisen für die Registrierung, die Aufbewahrung und die Datenübermittlung verpflichtet werden und hierzu Ordnungswidrigkeitstatbe-stände geschaffen werden.
- Es steht zu vermuten, dass sehr rasch selbst berufene Organisationen aus den Überprüfungen Erkenntnisse ableiten werden, die zu weiterer Bürokratie führen können (Gefahr neuer Listen).
- Es ist zu hinterfragen, ob es sich bei den Prüfoptionen a) bis c) um aufeinander auf-bauender Prüfintensitäten handelt oder ob die Nationen entscheiden können, es bei einer Prüfoption z. B. der Validitätsprüfung zu belassen
- Bei einer vor-Ort-Prüfung kann es zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten kom-men. Z.B. ist das Grundstücksbetretungsrecht des Prüfers ist nicht geregelt, vielfach lassen energetische Qualitäten der Bauteile nach deren Einbau nicht zerstörungsfrei prüfen.
- Die Kosten für das System werden viel zu gering geschätzt:
- 3 Minuten für die Registrierung
- 3 Minuten für die Aufbewahrung
- 30 Minuten Prüfaufwand für einen Energieausweis
- In der Begründung zur EnEV wird ausgeführt, dass die Kosten für das Registrie-rungs- und prüfverfahren von den Ländern durch Gebühren wieder vereinnahmt werden könnten. Damit deutet sich bereits jetzt an, dass die Energieausweisersteller mit diesen Kosten belastet werden sollen. Dies ist abzulehnen. Vielmehr sollte der Organisationsveranlasser, mithin der Eigentümer oder Bauherr dessen Finanzierung übernehmen.

 

9.4 Gegenvorschlag
Ein sehr viel einfacheres Stichprobensystem könnte aus der Tatsache abgeleitet wer-den, dass
- Energieausweise für Neubauten im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens der Behörde bekannt werden,
- Energieausweise aus Verkaufsfällen im Rahmen der notariellen Beurkundung und
- Energieausweise aus Vermietungen, z. B. künftig aus den Immobilienanzeigen durch die Behörde ermittelt werden könnten.
Damit würden zwar verschiedene Energieausweise nie in die Stichprobe kommen (z. B. Privatvermietungen ohne entsprechende Immobilienanzeigen, Energieausweise bei genehmigungsfreien Wohngebäuden). Im Vergleich zu dem erheblichen Bürokratieaufwand des beabsichtigten Systems könnten solche Schwächen aber durchaus in Kauf genommen werden.
Aus unserer Sicht ist nur die erste Stufe des Kontrollsystems zu rechtfertigen, die eine Validitätsprüfung vorsieht. Dies entspräche im Übrigen einer 1:1-Umsetzung der eu-ropäischen Vorgaben. Die übrigen Stufen sind aus Gründen der enormen und nicht gerechtfertigten Komplexität sowie dem unnötigen Aufbau von Bürokratie abzulehnen.
Dabei bleibt weiter zu berücksichtigen, dass die „Behörden“ kaum Fachpersonal vor-halten, das Kontrollen durchführen könnte. Darüber hinaus ist vollständig unklar, wie diese Arbeiten finanziert werden sollen.

 

10. Stichprobenkontrollen zur Einhaltung der EnEV-Neubauanforderungen
Bei Neubauten sollen die Länderbehörden durch Stichproben die Einhaltung der Be-stimmungen kontrollieren. Laut Begründung sollen 0,5% der Neubauten, d.h. ca. 525 Kontrollen durchgeführt werden. Als Aufwand hierzu werden 60 Minuten pro Neubau-kontrolle angegeben.
Es stellt sich die Frage, was zu welchem Zeitpunkt innerhalb einer Stunde an einem Gebäude wirklich geprüft werden könnte. Eine vor-Ort-Kontrolle der energetischen Qualität ist sehr viel komplexer. Auch ist die rückläufige Personalentwicklung in den Behörden zu berücksichtigen. In NRW prüfen im Übrigen bereits staatlich anerkannte Sachverständige für Schall und Wärmeschutz stichprobenhaft.
Da die vor-Ort-Stichprobe von Neubauten in dieser Form nicht zu leisten ist und sie auch nicht von der EU-RL vorgegeben wird, sollte sie entfallen.

11. Simulation
Bislang konnten für innovative bauliche oder anlagentechnische Komponenten, für die keine anerkannten Regeln der Technik vorlagen, die Werte für Komponenten mit ähn-lichen energetischen Eigenschaften angesetzt werden. Die zwangsweise Einführung von dynamisch-thermischen Simulationsberechnungen für neue bauliche oder anla-gentechnische Komponenten be- bzw. verhindert die Einführung innovativer Lösun-gen, weil oft der finanzielle Aufwand für solche Berechnungen sehr hoch ist.

 

12. Stufenweise Verschärfung der Anforderungen
(Anlage 1, Wohngebäude und Anlage 2, NWG)
Versteckt in den Anlagen verbirgt sich die größte Änderung der neuen EnEV. Das bisherige Nachweisverfahren benannte keinen absoluten Grenzwert für die Primär-energie und die Hüllfläche, sondern gab ein sogenanntes Referenzgebäude vor. Die Planung eines EnEV-konformen Gebäudes war somit sehr einfach.
Nun wird dieses technisch „saubere“ Vorgehen zu Gunsten einer Pauschalforderung aufgeweicht. Die Referenztechnik und auch die Referenzbauteile bleiben unverändert (=EnEV 2009). Zusätzlich wird (wahrscheinlich ab 2014) eine pauschale primärener-getische Unterschreitung von zunächst 12,5 % und ab 01.01.2016 von 25 % (bezo-gen auf die EnEV 2009) gefordert.
Durch die pauschale Verschärfung ergibt sich vor allem bei Nichtwohngebäuden ein Problem. NWG, die stromlastig sind (Kühlung, Lüftung), lassen sich nur schwer pri-märenergetisch verbessern – und schwer heißt immer auch teuer. Damit ist auch für den Planer ein erheblich größerer Aufwand in den Leistungsphasen 2 und 3 verbun-den (HV-relevant !).

 

13. Aufnahme einer Präambel in die EnEV
In einer Präambel werden Zweck und Ziel der EnEV in Bezug auf die energiepoliti-schen Ziele der Bundesregierung beschrieben. Die Präambel wird vom Bundesjustiz-ministerium abgelehnt. Auch aus unserer Sicht kann die Präambel entbehrlich sein.

 

Stand: 7. November 2012